Anmerkungen zur Transkription
Der vorliegende Text wurde anhand der Buchausgabe von 1910 so weit wie möglich originalgetreu wiedergegeben. Typographische Fehler wurden stillschweigend korrigiert. Ungewöhnliche und heute nicht mehr verwendete Schreibweisen bleiben gegenüber dem Original unverändert; fremdsprachliche Ausdrücke wurden nicht korrigiert.
Die Buchanzeigen wurden der Übersichtlichkeit halber am Ende des Texts gesammelt dargestellt. Der Verweis auf das siebte Vollbild, welches ein rankendes Geißblatt zeigt, wurde dem Sinn entsprechend von der Überschrift der Lektion 14 (‚Wie die Pflanzen Nahrung aufspeichern‘) zur Kapitelüberschrift 13 (‚Kletterpflanzen‘) verschoben.
Die gedruckte Ausgabe ist in Frakturschrift gesetzt. Passagen in Antiquaschrift werden hier kursiv dargestellt. Abhängig von der im jeweiligen Lesegerät installierten Schriftart können die im Original gesperrt gedruckten Passagen gesperrt, in serifenloser Schrift, oder aber sowohl serifenlos als auch gesperrt erscheinen.
Kinderaugen in der Natur
Drittes Buch
Von Arabella B. Buckley (Mrs. Fisher)
Einzige autorisierte Übertragung
von Oberstudienrat Dr. Fritz
Kriete in Halle
und
Oberstudiendirektor Dr. Otto
Rabes in Nordhausen
Mit 8 bunten Vollbildern und 16 Illustrationen im Texte
Dritte Auflage (11.–14. Tausend)
Halle a. S.
Hermann Gesenius
[S. 3]
Zur Einführung dieser Übersetzung sei hier kurz auf einige uns zusagende Eigentümlichkeiten dieser anspruchslosen Hefte hingewiesen, die uns veranlaßten, auf die Aufforderung der Verlagsbuchhandlung hin, sie ins Deutsche zu übertragen.
Überall ist versucht, Stil und Satzbau so klar und einfach zu gestalten, daß nach dieser Seite hin Kindern beim Lesen keine Schwierigkeiten erwachsen.
Die behandelten Stoffe aus dem Leben der Tiere und Pflanzen sind gut gewählt, dabei interessant — nicht rein beschreibend — gestaltet.
Vielmehr ist jeder einzelne Abschnitt, der stets ein in sich abgeschlossenes Ganzes bildet, so durchgeführt, daß er die kleinen Leser zu eigenen Beobachtungen anregt.
Endlich sind die farbenschönen Abbildungen[S. 4] einheitlich und naturgetreu ausgeführt, so daß auch sie das Interesse der Kinder beleben helfen. Überhaupt stand für unsere Erwägungen der Gedanke im Vordergrunde, daß diese Bücher geeignet sein könnten, sich im Kampfe gegen die unsere Jugend verseuchende Schundlitteratur als nützlich zu erweisen.
Kriete. Rabes.
[S. 5]
Seite
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Vorwort
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Lektion
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1.
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Das Hirtentäschelkraut
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2.
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Die Arbeit der Blätter
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3.
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Die Geschichte einer Kohlrübe
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4.
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Wie ein Samenkorn wächst
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5.
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Wie sich neue Samen bilden
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6.
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Wie die Insekten helfen
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7.
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Früchte, die wir als Gemüse essen
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8.
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Der Kohlkopf
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9.
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Wie die Pflanzen sich schützen
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10.
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Feldblumen und Gartenblumen
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11.
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Die Rosenblütler und ihre Früchte
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12.
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Die Taubnessel und die Erbsenblüte
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13.
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Kletterpflanzen
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14.
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Wie die Pflanzen Nahrung aufspeichern
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15.
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Unterirdische Gemüse
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16.
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Wie der Samen wandert
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[S. 7]
Drittes Buch.
Pflanzenleben in Feld und Garten.
Es ist sieben Uhr an einem lieblichen Sommermorgen. Heraus aus dem Bett und einen Blick aus dem Fenster! Es ist eine Schande noch im Bette zu liegen, wenn die Sonne so hell scheint, die Vögel singen und die Bienen von Blume zu Blume fliegen.
Warum sind die Bienen so früh bei der Arbeit? Sie sammeln den gelben Blütenstaub, der beim Kriechen in die Blüten an ihren behaarten Körpern hängen geblieben ist, und mit Hilfe der Beine bürsten sie ihn ab und ballen ihn zu kleinen Kügelchen zusammen. Dann packen sie diese in eine Rinne an ihren Hinterbeinen und fliegen nach dem Bienenstock. Dort vermischen sie den Blütenstaub mit Honig und machen Bienenbrot daraus; damit füttern sie die jungen Bienen.
Sieh, wie geschäftig der Specht da unter der Ulme ist! Er fängt Insekten, die er nach Hause zu seinen Kleinen trägt, welche seit mehr als einer Woche ausgebrütet sind. Weiter weg im Felde kämpft eine Drossel mit einem großen Wurm; auch sie besorgt wohl ein Frühstück für ihre Familie.
[S. 8]
Wie fleißig sie alle sind, und du liegst noch im Bette! Wenn ich an deiner Stelle wäre, so würde ich aufstehen und Unkraut im Garten ausjäten. So kannst du dich nützlich machen und zugleich viel Interessantes lernen, während du bei der Arbeit bist.
Hier ist ein Unkraut, das zwischen den Kohlköpfen wächst. Kennst du seinen Namen? Es wird Hirtentäschelkraut genannt wegen seiner sonderbaren Samenschoten. Sie wachsen auf Stielen aus dem Stamme der Pflanze unter den kleinen weißen Blüten. Wenn eine davon vorsichtig geöffnet wird, findet man an jeder Seite eine kleine Tasche, die sich von der Mitte losreißen läßt, wenn die Schote reif ist. Die Samen bleiben dann an der schmalen Scheidewand haften.
So ist also die Schote eine Art Börse mit zwei Taschen, und man kann die Samen als das Geld darin ansehen.
Nimm die Pflanze in die Hand, und ich will dir dann die einzelnen Teile derselben nennen. Sieh dir zuerst die Wurzel an. Diese wächst immer nach unten in den Boden hinein. Sie hat feine Wurzelfasern, die von ihr ausgehen. Die Wurzel und die Wurzelfasern haben alle zarte Spitzen, die aus dem Erdboden die Nahrung für die Pflanze einsaugen.
Du weißt, daß dein Vater Dünger in die Erde bringt, ehe er Samen aussät oder Obstbäume pflanzt. Dann dringt der Regen in die Erde und löst den Dünger auf. Dies gibt eine sehr reichliche Nahrung, die die Wurzeln einsaugen, und so wird die Pflanze kräftig.
Dann sieh dir den Stengel an. Du kannst ohne weiteres sehen, wo er anfängt; denn ein Kranz von Blättern wächst[S. 9] dicht über dem Erdboden hervor. Eine Wurzel hat niemals Blätter, so muß also da, wo Blätter wachsen, der Stengel sein.
Sieh diesen Blätterkranz sorgfältig an. Du wirst dann sehen, daß die Blätter nicht genau übereinander stehen. Die in der oberen Reihe stehen immer genau zwischen denen der unteren Reihe. Und wenn der Stengel weiter wächst, und die Blätter weiter voneinander getrennt sind, wachsen sie immer noch so, daß sie nicht gerade übereinander stehen.
Was ist nach deiner Ansicht der Grund, daß sie so wachsen? Weil sie so viel Sonne wie möglich haben möchten. Wenn sie gerade übereinander ständen, so würde das obere Blatt die Sonne von dem unteren fernhalten. Aber auf jene Weise bekommen sie so viel davon, wie nur irgend möglich.
Du siehst also, daß die Pflanze eine Wurzel hat, die nach unten wächst, um Wasser aus dem Erdboden zu saugen, und einen Stengel, der nach oben wächst und die Blätter in das Sonnenlicht hinaufträgt. Was die Blätter zu tun haben, wollen wir in der nächsten Lektion lernen.
Die Blätter brauchen sehr viel Sonnenschein und Luft; denn sie sind den ganzen Tag lang beschäftigt, Nahrung zu bilden. Hast du jemals daran gedacht, wie wunderbar es ist, daß Pflanzen ihre eigene Nahrung bereiten können? Weder du noch die Tiere sind dazu imstande. Alles, was du ißt, stammt entweder vom Tiere oder von der Pflanze. Zu einem Kuchen zum Beispiel kommt das Mehl aus[S. 10] Weizenkörnern, die Korinthen von einer Weinrebe, der Zucker von Zuckerrüben, die Gewürze von verschiedenen Bäumen und die kandierte Schale (Zitronat usw.) von Früchten.
Alles andere, was man ißt, wie Fleisch, Fische, Vögel, Gemüse und Früchte, ist einmal belebt gewesen.
Pflanzen ernähren sich nicht auf diese Weise. Ihre Wurzeln ziehen Wasser und andere Stoffe, wie Kalk, Soda und Pottasche, die im Wasser aufgelöst sind, aus der Erde. Die Blätter nehmen Gase (Kohlensäure) aus der Luft auf. Für uns sind Erde, Luft, Wasser keine Ernährungsstoffe. Wir können nicht davon leben. Aber die Pflanze kann es.
Die hübschen grünen Blätter, die wir so gern haben, arbeiten angestrengt. Wenn die Sonne sie bescheint, so können sie das Wasser und die Gase in lebende Nahrung verwandeln, und diese Nahrung erzeugt wieder Blätter, Blumen und Früchte, die uns zur Nahrung dienen.
Wie nützlich sind doch die Pflanzen! Wenn sie keine Nahrung erzeugten, so könnte es nichts Lebendes auf der Welt geben. Insekten fressen Pflanzen, und Vögel fressen Insekten. Schafe fressen Gras, und wir essen Schafe. Kaninchen fressen Pflanzen, und Füchse und Wiesel fressen Kaninchen. Wenn es keine Pflanzen gäbe, so könnten auch keine Insekten, Vögel, Tiere und Menschen leben.
Aber dies ist nicht die einzige nützliche Arbeit, die die Pflanzen verrichten. Ihr wißt, daß, wenn viele Menschen in einem Raum eingeschlossen sind, sie die gute Luft verbrauchen und schlechte Luft ausatmen, die nicht wieder gebraucht werden kann. Nun gebrauchen die Pflanzen diese für uns schlechte Luft. Sie atmen dieselbe durch ihre Blätter ein und benutzen die darin befindlichen Gase zum Wachstum.[S. 11] So verwandeln sie nicht nur Gase in Nahrung, sondern sie verbrauchen dabei auch die schlechte Luft, die wir ausatmen und geben sie uns rein und frisch zurück. Deshalb ist das Leben auf dem Lande so gesund, weil hier so viele Pflanzen sind.
Es ist sehr lehrreich, die Pflanzenblätter zu betrachten, ihre Formen zu beobachten und zu sehen, wie sie am Stengel angeordnet sind, um Licht und Luft zu bekommen.
Ihr kennt doch wohl die gemeine Taubnessel, die einer Brennessel so ähnlich ist, aber nicht sticht. Sie wächst in Hecken und hat eine hübsche, helmförmige, weiße oder rote Blüte. Ihre Blätter sind paarweise um den Stamm geordnet, und jedes Paar steht genau quer über dem unteren Paar, um diesem genug Licht zu lassen.
Die glänzenden grünen Blätter des Efeus an der Mauer liegen flach und haben lange Stiele, so daß sie weit in die Luft hinausragen.
[S. 12]
Die Blätter der Kresse in unseren Gärten sind wie ein runder Schild geformt. Der Stiel steht unter der Mitte des Blattes und ist sehr lang. So sieht das Blatt grade zum Himmel empor und bekommt eine Menge Luft und Licht.
Das Blatt der Roßkastanie ist in mehrere Teile geteilt, so daß es aussieht, als bestände es aus 5 oder 7 Blättern, und jeder einzelne Teil breitet sich dem Licht entgegen.
Die Blätter des Sauerklees, welche die Kinder gern essen, weil sie sauer schmecken, haben drei runde Blättchen wie das Kleeblatt, und diese legen sich in der Nacht oder an einem Regentage zusammen, stehen aber weit geöffnet, wenn die Sonne scheint.
Und nun wollen wir zu unserem Hirtentäschelkraut zurückkehren. Wir haben noch nicht nach seinen Blüten gesehen. Sie wachsen auf Stielen, die zwischen den Blattstielen und dem Stengel herauskommen. Auf diesen Stielen stehen einige kleinere Blätter und eine Menge Samentaschen.
Über den Samentaschen an der Spitze des Stieles stehen einige weiße Blüten dicht zusammen. Sie sind so klein, daß man ihre einzelnen Teile kaum unterscheiden kann. Aber man vermag doch zu sehen, daß sie vier äußere grüne Blätter und vier innere weiße haben. In der nächsten Lektion werden wir mehr darüber lernen.
Sammle sechs Pflanzen mit verschieden geformten Blättern und untersuche, wie sie am Stengel wachsen.
[S. 13]
Die Blüten des Hirtentäschelkrauts sind sehr klein, daher wollen wir die Blüten einer anderen Pflanze zur Hilfe nehmen, um etwas über sie zu lernen. Wenn man im Garten eine Kohlrübe finden kann, die in Samen geschossen ist, so wird man sehen, daß sie Blüten hat wie die des Hirtentäschelkrauts, sie sind nur größer und gelb statt weiß.
An beiden Blüten haben wir vier äußere grüne Blätter. Sie heißen Kelchblätter, denn sie bilden den Kelch der Blüte. Dann sehen wir noch vier farbige Blätter, die über den Kelchblättern wachsen. Sie heißen Blumenkronblätter, weil sie die Blumenkrone der Blüte bilden. Sie sind weiß beim Hirtentäschelkraut und gelb bei der Kohlrübe. Aber in beiden Blüten stehen sie in Form eines Kreuzes.
Nun kommen sechs dünne Fäden mit kleinen Köpfchen an der Spitze. Zwei derselben sind kurz und vier lang. Sie heißen Staubfäden. Die Köpfchen heißen Staubbeutel, die den gelben Blütenstaub oder Pollen enthalten. In der Mitte der Blüte finden wir endlich den Fruchtknoten. Beim Hirtentäschelkraut ist dieser wie ein Herz geformt, bei der Blüte der Kohlrübe wie eine lange Schote.
Die Schoten wachsen auf kleinen Stielen am Stengel. Sie waren einst von Blütenblättern umgeben, aber diese sind verwelkt, und die Schoten sind groß geworden.
Einige der besten Gemüse in unseren Gärten haben Blüten wie diese in der Form eines Kreuzes und vier lange und zwei kurze Staubgefäße. Mehrere, wie die Kohlrübe und das Radieschen, haben Wurzeln, die sehr wohlschmeckend[S. 14] sind. Von anderen, wie z. B. dem Weißkohl und dem Braunkohl, essen wir die Blätter, vom Blumenkohl dagegen die Stiele des Blütenstandes mit den Blütenknospen.
Wir wollen nun zur Kohlrübe zurückkehren. Was hat sie für eine prächtige dicke Wurzel! Man findet eine Art von Kohlrübe wild wachsend, aber die Wurzel ist hart — du würdest sie nicht essen können. Unsere Rüben dagegen sind weich und deshalb so gut, weil sie in fruchtbarem Boden gewachsen sind, der seit vielen Jahren in bester Weise bearbeitet worden ist, und weil nur der beste Same ausgesät wird.
Ihr werdet nun vermutlich glauben, daß die Kohlrüben nur für uns dasein müßten, da wir den Boden umgraben und den Samen säen. Aber es gibt viele Tiere und Insekten, die auch ihren Anteil daran haben wollen. Sobald die Pflanze ihre ersten grünen Blätter herausstreckt, ist schon ein kleiner Käfer da, um sie zu fressen. Wenn seine Flügel geschlossen sind, ist er nicht größer als der Buchstabe „o“ in der Überschrift dieser Lektion. Er hat lange Hinterbeine und kann sehr gut springen, und deshalb wird er Erdfloh genannt.
Im Winter schlafen diese Käfer unter der Erde oder unter verwelkten Blättern. Wenn der Frühling kommt, erwachen sie und nähren sich vom Hirtentäschelkraut oder irgend einem anderen Unkraut, das früh im Jahre aufschießt. Dann legt das Weibchen seine Eier unter die Blätter, und bald kriechen kleine Larven aus und fressen Löcher in dieselben.
In vierzehn Tagen sind sie fett. Dann fallen sie auf den Boden und spinnen sich in Kokons ein, gerade wie die kleinen Ameisen im Ameisenhaufen. In weiteren vierzehn Tagen werden sie kleine Käfer.
[S. 15]
Um diese Zeit stecken die frühen Kohlrüben gerade ihre ersten Blätter hervor, und der Erdfloh hüpft herbei,[S. 16] um sie zu fressen. Dann findet man, wenn man eines Morgens aufsteht, das Kohlrübenbeet kahl gefressen, und wenn man scharfe Augen hat, kann man die kleinen, schwärzlich glänzenden Käfer, die das Unheil angerichtet haben, fangen.
Wenn man früh im Jahre alles Unkraut ausjätet, und den Boden hackt, so daß die jungen Rüben schnell wachsen, so kann man den Erdfloh fernhalten. Aber dann fordern andere Geschöpfe ihren Teil. Der Kohlgallenrüsselkäfer legt seine Eier in die Wurzel unter der Erde, wie der Nußbohrer in die Haßelnuß (vgl. Buch I). Wenn man eine Kohlrübe sieht, an der kleine Klumpen oder Gallen sitzen, so kann man sicher sein, daß eine Larve dieses Käfers im Inneren ist.
Wenn dann die großen Kohlrübenblätter gewachsen sind, wird eine hübsche orangefarbige Blattwespe ihre Eier auf diese legen, so daß die Larven viele wegfressen. Dann wird das Kaninchen, wenn es herankommen kann, die Spitzen fressen, während die Mäuse die Wurzeln benagen. Und wenn man endlich Samenkohlrüben baut, so wird der kleine grünlich-schwarze Rapsglanzkäfer seinen Anteil fordern und die Blütenknospen fressen.
So hat die Kohlrübe, wie man sieht, viele Freunde, aber noch mehr Feinde. Ein guter Gärtner hat Freude daran, zu lernen, wie man diese Gartendiebe fernhält.
Nimm die Blüten des Goldlacks, der Levkoie, des Ackerpfennigkrauts, der Kohlrübe und des Hirtentäschelkrauts und beobachte ihre Ähnlichkeit in der Form und der Anordnung ihrer Teile.
[S. 17]
Wir sahen in den beiden letzten Lektionen, daß eine Pflanze eine Wurzel, einen Stamm, Blätter, Blüten und Früchte hat. Heute will ich euch erzählen, wie diese Teile wachsen.
Wenn der Lehrer dich einen kleinen Versuch machen lassen will, so kannst du selbst beobachten, wie eine Pflanze aus dem Samen aufwächst. Nimm eine Untertasse und ein kleines Stück Flanell. Lege den Flanell in die Untertasse und gieße Wasser darüber, bis er ganz naß ist. Dann laß dir von jemand etwas Senfsamen geben und streue ihn auf den Flanell. Setze das Ganze dann in die Fensterbank oder auf den Tisch und sorge dafür, daß der Flanell immer feucht ist. Dann achte darauf, was geschehen wird.
Am zweiten Tage, nachdem du den Samen gesät hast, wirst du finden, daß er weich und aufgequollen ist. Er hat Wasser aufgesogen und braucht dasselbe zum Wachsen. Am dritten Tage werden viele der Samenkörner eine zierliche Wurzel ausgetrieben haben, welche sich an den Flanell anklammert.
Die Spitze der Wurzel wird nun noch mehr Wasser aufsaugen, und wenn man ein Samenkorn öffnet, so findet man, daß es sich in zwei Teile gespalten hat. Aus jeder der beiden Hälften wird ein Blatt werden. Aber diese sind nicht grün, sie sind noch ganz weiß, und man kann sich kaum denken, daß es Blätter sind.
Wenn du am vierten Morgen zur Schule gehst, wirst du wahrscheinlich finden, daß die beiden Hälften aus ihrer[S. 18] Umhüllung herausgewachsen sind. Einige sind noch weiß, aber andere werden schon an den Spitzen grün und unten rot, und jeder würde sie jetzt als Blätter ansehen. Sie wachsen auf einem Stiel, und die leere Umhüllung der Samen hängt an der Stelle, wo der Stiel und die Wurzel sich treffen.
Beachte wohl die Form dieser Blätter. Sie bestehen aus zwei Halbkreisen mit einer Kerbe in der Mitte. Es sind die Keimblätter des Senfs. Sie sind aus dem Samen aufgewachsen und haben die Nahrung, die darin war, benutzt, um sich auszubreiten und in das Sonnenlicht emporzusteigen. Und wenn das Licht nun auf sie niederströmt, so werden sie grün und bereiten sich selbst Nahrung aus den Luftgasen und dem Wasser, das die Wurzeln einsaugen. Denn die Wurzel hat nun viele kleine Würzelchen und Wurzelfasern getrieben, wie man sehen kann, wenn man eine aus dem Flanell herauszieht.
In einigen Tagen zeigt sich eine grüne Spitze zwischen den beiden Keimblättern und wächst zu zwei weiteren Blättern heran. Diese haben zwischen sich wieder eine kleine Knospe, die wieder Blätter bildet, und so wird die Pflanze größer und größer.
Aber die neuen Blätter sind in ihrer Form ganz verschieden von den Keimblättern. Sie sind lang und haben fünf Lappen, einen großen an der Spitze und zwei kleinere an jeder Seite.
Was nun mit dem Senfsamen auf dem Flanell vor sich geht, ist dasselbe, was mit jedem Samen geschieht, den man in den Erdboden sät. Zuerst schwillt er auf, wenn der warme Regen ihn erreicht. Dann treibt er eine zarte[S. 19] Wurzel. Die Keimblättchen strecken sich, ihr Stiel wächst, sie schlüpfen aus ihren Umhüllungen und wachsen aus der Erde hervor.
Dann werden sie im Sonnenlichte grün und fangen an, Nahrung zu bereiten. Damit ernähren sie Stengel und Blätter, bis sie zu großen Pflanzen oder selbst zu Bäumen heranwachsen.
Ein anderer hübscher Versuch, den man machen kann, ist der, eine Bohne in warmem Wasser einzuweichen und sie auf einen mit Erde gefüllten Blumentopf zu legen. Halte die Erde feucht und beobachte die Bohne, wie du es[S. 20] bei dem Senfsamen getan hast. Das Wachsen derselben nimmt längere Zeit in Anspruch. Es kann eine Woche dauern, ehe die Wurzel den Weg in die Erde findet und eine weitere Woche, ehe die großen grünen Keimblätter aus ihrer Umhüllung hervorbrechen.
Es ist sehr merkwürdig, die Wurzel zu beobachten. Zuerst sendet die Bohne nur eine Keimwurzel aus, dann mehrere. Die schwere Bohne liegt noch auf der Erde, während der Stiel weiter wächst. So bildet derselbe einen Bogen, mit dem Samen an dem einen Ende und der Wurzel an dem anderen. Wenn nun die Pflanze die Nahrung in den Keimblättern verbraucht, werden diese allmählich leichter und der Stengel wird kräftig genug, sie zu heben, so daß sie sich nach oben richten. Sie lassen die Samenhülle nicht unten wie der Senfsamen. Sie tragen dieselbe mit empor, und sie vertrocknet und fällt ab. Dann kann man zwischen den Keimblättern die neue Knospe sehen, die sich bald zu wirklichen Blättern entfaltet.
Streue Senfsamen auf feuchten Flanell. Weiche eine Bohne eine Nacht lang in warmem Wasser ein und lege sie auf sehr feuchte Erde in einen Blumentopf.
(Zweites und drittes Vollbild.)
Wir verließen unsere Pflanzen am Ende der letzten Lektion, wie sie grüne Blätter im Sonnenlichte bildeten. Nun wachsen sie schnell heran. Ihre Wurzeln saugen Wasser[S. 21] aus dem Boden, und ihre Blätter nehmen Gase aus der Luft auf.
Wenn die Pflanze reichlich Wurzeln und Blätter gebildet hat, so beginnt sie Nahrung aufzuspeichern, um Blüten hervorzubringen, in denen neuer Same erzeugt wird. Dies ist ein sehr wichtiges Werk; denn Samen sind nötig, um neue Pflanzen zu erzeugen, und es werden so viele von Vögeln und Insekten vertilgt oder von anderen Pflanzen erstickt, daß es sehr viele geben muß, damit die Pflanze nicht ausstirbt.
Daher ist der Fruchtknoten, in dem die Samen sich bilden, sehr sorgfältig geschützt. Er wächst gerade in der Mitte der Blüte, wo er dicht in die Knospe eingehüllt werden kann. Selbst wenn er unter der Blüte wächst, wie beim Geißblatt, sitzt die klebrige Spitze, auch Narbe genannt, immer sicher im Innern der Knospe.
Pflücke eine Schlüsselblume und eine Butterblume auf dem Felde und eine Erbsenblüte aus dem Garten und betrachte ihre Fruchtknoten. Inmitten der Blüte der Butterblume wirst du sehr viele finden. Sie haben die Form von Birnen, deren Stiele nach oben gerichtet sind, und in jedem der Fruchtknoten liegt die Anlage eines kleinen Samens.
Man muß die gelbe Blumenkrone der Schlüsselblume abreißen, ehe man den kleinen grünen Fruchtknoten in dem grünen Kelche sitzen sieht. Aus demselben wächst eine Röhre hervor, die in einem runden Knöpfchen endet.
[S. 22]
In der Erbsenblüte bildet der Fruchtknoten eine einzelne Hülse im Innern der Blumenkronblätter, die mit einem langen Schnabel an der Spitze versehen ist. Wenn du die Hülse öffnest, so wirst du sieben oder acht kleine weiße Kügelchen finden. Das sind die kleinen Erbsen. Wenn man imstande ist, den Fruchtknoten der Schlüsselblume zu öffnen, so wird man dieselbe Art von Kügelchen finden. Sie sind aber außerordentlich klein, weich und durchscheinend. Man kann sie leicht mit dem Finger zerdrücken. Es sind keine wirklichen Samen, sondern nur „Samenanlagen“ oder Samenknospen. Ehe sie zu harten Samen werden können, müssen sich einige von den gelben Pollenkörnchen aus den Staubbeuteln, die über ihnen wachsen, mit ihnen verbinden.
Aus diesem Grunde tragen die Fruchtknoten Spitzen und Schnäbel und Knöpfchen. Die Spitze auf dem Fruchtknoten der Butterblume, der Schnabel am Ende der Erbsenschote und das Knöpfchen oben auf der Röhre, die über den Fruchtknoten der Schlüsselblume hervorragt, sind alle klebrig. Dieses Knöpfchen nimmt also den aus den[S. 23] berstenden Staubkörnern entlassenen Staub auf und sendet ihn durch die Röhre auf die Samenknospen des Fruchtknotens hinab, der sich zu einer Kapsel umwandelt und so die reifen Samen umschließt.
Wenn du nach Hause gehst, so pflücke irgend eine Blume, die du siehst, und versuche, ihren Fruchtknoten zu finden. Du kannst vielleicht in einem Kornfelde eine Klatschrose pflücken. Diese hat einen schönen großen Fruchtknoten, der aussieht wie eine mit einem Deckel versehene Tasse. Unter dem Deckel befinden sich kleine Löcher, wenn der Fruchtknoten reif ist. Der Wind bewegt ihn hin und her und schüttelt so die Samen aus den Löchern heraus. Es sind so viele, daß man sie nicht zählen kann.
Du kannst auch ein Veilchen pflücken, und wenn du dann die farbigen Blätter fortgenommen hast, so wirst du einen sehr sonderbaren Fruchtknoten finden. Denn die Röhre und der klebrige Knoten an der Spitze sehen genau wie der Hals und der Kopf eines Vogels aus. Die Staubbeutel, die dicht um den Fruchtknoten herumstehen, haben eine hübsche orangegelbe Farbe.
Es gibt eine hübsche rote Blume, die Stockrose oder Malve, deren Fruchtknoten aussieht wie ein runder flacher Käse mit einer in der Mitte stehenden kräftigen Säule. Diese Säule hat acht bis zwölf klebrige Stellen, und rund herum stehen sehr viele gelbe Staubgefäße. Kinder nennen die Samenkapseln der Malve, wenn sie reif sind, und die Säule abgefallen ist, „Käse“.
Aber überrascht wirst du sein, wenn du einen Löwenzahn oder ein Gänseblümchen pflückst, denn du wirst keine[S. 24] Fruchtknoten in der Mitte finden. Der Grund ist der, daß der Löwenzahn und das Gänseblümchen nicht aus einer Blüte bestehen, sondern aus einer großen Menge von Blüten, die zu einer Blume vereinigt sind.
Zerlege eine Löwenzahnblüte, und du wirst finden, daß sich jede kleine Blüte leicht von den übrigen trennt. Es gibt deren mehr als hundert in einer Löwenzahnblüte. Nimm eine von diesen kleinen Blüten in die Hand und betrachte sie.
Am unteren Ende sitzt ein ovaler Sack, das ist der Fruchtknoten. Oben auf diesem stehen einige feine Haare; das sind die Kelchblätter. Dann folgt die gelbe Blumenkronröhre, die auf einer Seite zu einer langen Zunge ausgewachsen ist. Im Innern der Blumenkrone sehen wir die Staubgefäße mit sehr langen Staubbeuteln, die zu einer Röhre fest verwachsen sind. Durch diese Röhre wächst der Griffel mit zwei gelben klebrigen Hörnern, der Narbe, empor.
Dies zierliche Ding ist also eine vollständige Blüte, die mit ihren Gefährtinnen den Blumenkopf des Löwenzahns bildet. Bei dem Gänseblümchen ist es ebenso mit einigen kleinen Unterschieden. Versuche diese selbst herauszufinden.
[S. 25]
Suche die Fruchtknoten der Erbse, des Goldlacks, des Hirtentäschelkrauts, der Butterblume, der Schlüsselblume, des Mohns, der Malve und des Löwenzahns.
Sobald die Sonne die Erde zu erwärmen beginnt, kann man nach Frühlingsblumen ausschauen. Wenn in der Nähe feuchte Wiesen und Gräben sind, so kann man im April die Sumpfdotterblume in Blüte finden. Dies ist eine Pflanze mit hohlem Stengel und dunkelgrünen, herzförmigen Blättern, die am Rande gekerbt sind. Die Blüten sind hellgelb; die Kinder nennen sie oft Butterblume.
Die Blüte hat 6 verschieden gestaltete Kronblätter und innen stehen zahlreiche Staubgefäße und Fruchtknoten. Wenn man einen der letzteren herausnimmt, so wird man eine kleine Höhlung mit Honig darin finden.
Die Bienen sind sehr hinter diesem Honig her, da es noch so früh im Jahre ist, daß sehr wenige Pflanzen blühen. Sie brauchen außerdem Blütenstaub, um Bienenbrot für die kleinen Bienen zu machen. Auch andere Insekten suchen nach Nahrung. Wenn man an einem sonnigen Tage die Butterblumen beobachtet, so wird man viele Bienen und Fliegen sich auf den Blüten niederlassen sehen.
Sie fliegen von Blüte zu Blüte, saugen aus jeder ein Tröpfchen und nehmen außerdem aus den Staubbeuteln Blütenstaub mit.
Wir sahen in der letzten Lektion, daß Pflanzen keine Samen bilden können, wenn der Blütenstaub nicht auf die[S. 26] Narbe gelangt, und man hat durch Versuche herausgefunden, daß der Samen besser wird, wenn der Blütenstaub von einer anderen Blüte kommt. So nützen die Bienen den Pflanzen, indem sie den Blütenstaub von einer Blume zur anderen tragen, als Bezahlung gewissermaßen für den Honig, den die Pflanzen ihnen spenden.
Man wird sicher irgendwo im März an den Hecken eine hübsche gelbe Blume finden, die wie ein Stern aussieht mit glänzend grünen, herzförmigen Blättern. Es ist das Scharbockskraut oder die Feigwurz. Sie hat drei grüne Kelchblätter und acht bis zwölf gelbe Blumenkronblätter. Bienen und andere Insekten kommen in großen Mengen zu ihr, denn sie hat einen Tropfen Honig an dem dünnen Ende jedes Blumenkronblattes in der Mitte der Blumenkrone.
Wenn man diese Pflanze ausgräbt, so wird man Knöllchen von Feigenform finden, die zwischen den Wurzeln wachsen. Jedes derselben hat eine kleine Knospe an der Spitze, aus der sich eine neue Pflanze entwickelt, wenn man sie in die Erde setzt.
Eine andere Blume, die schon früh auf den Feldern blüht, ist der gemeine gelbe Huflattich, ein für den Landmann sehr unangenehmes Unkraut. Er hat einen langen kriechenden Stengel und breitet sich sehr schnell unter dem Boden aus. Er hat eine Blumenkrone wie der Löwenzahn, aus Hunderten von winzigen Blüten bestehend. Diese wächst auf einem filzigen Stengel, welcher mit roten Schuppen bedeckt ist. Die Blätter wachsen erst, nachdem die Blüte verwelkt ist.
Sieh den Blütenkopf aufmerksam an. Du wirst ungefähr vierzig runde Blüten in der Mitte finden. Sie bergen[S. 27] in sich Staubgefäße und einen großen Tropfen Honig. Um diese herum stehen ungefähr 300 kleine Blüten, jede mit einer langen, gelben Zunge. Im Innern dieser äußeren Blütchen sitzt ein Fruchtknoten mit zwei klebrigen Hörnern. Die Bienen und anderen Insekten kriechen über diese äußeren Blüten, um den Honig aus den Blüten in der Mitte zu saugen, und wenn sie nun zurückkehren, so bringen sie etwas Blütenstaub mit, den sie auf den klebrigen Hörnern der Narben zurücklassen.
Und wenn du nun den Aronsstab oder die Aronswurz finden kannst, so will ich dir eine wirkliche Insektenfalle zeigen. Er hat eine weißliche tütenförmige Blüte mit[S. 28] einem purpurfarbenen Kolben im Innern. Im Frühling hat diese Blume einen sehr starken Geruch. Dieser lockt die Insekten an, und sie kriechen an dem purpurroten Kolben hinab, um nach Honig zu suchen.
Auf ihrem Wege dahin kommen sie an einer Reihe von steifen Haaren vorbei, die von ihrem Gewicht niedergebogen werden und sie vorüber lassen. Dann gelangen sie an einen Ring von roten Staubbeuteln, die noch nicht offen sind. Darauf treffen sie auf einige verkümmerte Fruchtknoten und erreichen endlich die wirklichen Fruchtknoten mit klebrigen Spitzen.
Nun sind sie bis auf den Boden gelangt und suchen nach Honig. Aber ach! Es ist keiner da. Dann versuchen sie zurückzugelangen. Aber die steifen Haare biegen sich nicht nach oben, und die Insekten sind Gefangene. Sie sind für ein oder zwei Tage eingeschlossen, dann verwelken die klebrigen Narben der Fruchtknoten und jede schwitzt einen Tropfen Honig aus. Die Insekten sind also nicht betrogen. Zu gleicher Zeit platzen die Staubbeutel, und der Blütenstaub fällt auf die Insekten. Dann verwelken auch die Staubgefäße und die Haare, und die Insekten können ihrem Gefängnisse entschlüpfen.
Wenn sie an den verwelkten Staubbeuteln vorbeikommen, streifen sie den übriggebliebenen Blütenstaub ab und tragen nun auf ihrem Rücken genug davon zu anderen Blumenfallen.
Man kann dies sehr leicht selbst sehen, wenn man zwei Aronsstäbe beobachtet und zwar eine junge Pflanze mit vollen Staubbeuteln und eine alte, in der diese schon verwelkt sind.
Suche Sumpfdotterblume, Scharbockskraut, Huflattich und Aronsstab.
[S. 29]
Wenn die Fruchtknoten der Pflanzen ausgewachsen und reif sind, nennen wir sie Früchte. Vermutlich kommt es euch sonderbar vor, eine Erbsenschote „Frucht“ zu nennen. Aber wenn ihr an alle die anderen Früchte, die ihr kennt, denkt, so werdet ihr finden, daß alle aus Fruchtknoten entstanden sind.
Der Apfel entsteht aus dem Fruchtknoten der Apfelblüte. Die Stachelbeere enthält den Samen des Stachelbeerstrauches. Die Nuß ist die Frucht des Nußbaumes. Die Eichel ist die Frucht der Eiche.
Bei Erbsen und Puffbohnen essen wir die Samen der Frucht. Aber bei anderen Bohnenarten essen wir meistens die unreife Frucht, Samenkapsel sowohl als Samen. Wenn du in einem Gemüsegarten umhergehst, wirst du gewiß einige Gemüse finden, von denen wir die ganze Frucht essen.
In den meisten Gärten gibt es eine Ecke, in der welke Blätter und Abfall aufgehäuft werden, um daraus einen Düngerhaufen zu machen. Erde wird auf den Haufen geworfen, und Gurken und Kürbis werden darauf gezogen. Man wird sofort erkennen, daß Gurken und Kürbis fleischige Samenkapseln sind, denn sie sind voll von Samen.
Habt ihr jemals die Blüten des Kürbis angesehen? Sie sind ebenso groß und schön wie viele Gartenblumen. Ich möchte euch auf etwas Sonderbares in ihnen aufmerksam machen.
Wenn man verschiedene Blüten betrachtet, so wird man[S. 30] sehen, daß sie nicht alle gleich sind. Sie haben einen blaßgrünen Kelch mit fünf langen Spitzen und eine kleinere oder größere gelbe Blumenkrone. Die kleineren haben den Ansatz eines jungen Kürbis unter dem grünen Kelche, während die größeren nichts als den Stengel an Stelle des Kürbisansatzes haben. In einigen Tagen wird der junge Kürbis größer geworden sein, während die Blüten, aus denen kein Kürbis hervorgeht, allmählich verwelken.
Sieh in das Innere der verwelkenden Blüten. Du wirst einige sonderbare Staubbeutel voll von gelbem Blütenstaube finden, aber keinen klebrigen Stempel in der Mitte. Dann betrachte die kleinere Blüte über dem jungen Kürbis. Im Innern derselben stehen einige klebrige, klumpenförmige Gebilde und wahrscheinlich findet sich etwas gelber Staub auf ihnen. Jene verdickten Stellen bilden die Spitze des Fruchtknotens, die Narbe, aber du wirst keine Staubbeutel in dieser Blüte finden.
So siehst du also, daß der Kürbis die Staubbeutel in der einen Blüte und den Stempel in einer anderen hat. Wie kommt nun der gelbe Blütenstaub aus einer Blüte in die andere, um den Samen zum Wachsen zu bringen?
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Hier helfen die Insekten. Wir fanden die schädlich, die die Kohlrüben vernichteten, jetzt werden wir nützliche finden.
Im Inneren jeder Kürbisblüte gibt es einige saftige, faltenartige Stellen, an denen die Bienen und andere Insekten gern nagen, um den süßen Saft zu bekommen. Wenn sie sich nun in die Blüte drängen, um an den Falten zu fressen, reiben sie sich an den Beuteln und tragen etwas von dem gelben Blütenstaube auf ihrem Rücken mit fort. Dann fliegen sie in die kleineren Blüten auf der Suche nach dem süßen Safte und kommen an der klebrigen Narbe vorbei. Die gelben Staubkörner kleben daran fest, und so kann der Inhalt des Blütenstaubs zu den Samenknospen gelangen, so daß diese zu Samen heranwachsen.
Die Blüten der Gurke sind ebenso verschieden wie die des Kürbis. Nun wissen wir auch, weshalb der Gärtner seine Mistbeetfenster alle Tage sorgfältig öffnet. Er muß nicht nur frische Luft einlassen, sondern auch den Insekten Gelegenheit geben, auf die Blüten zu fliegen. Denn wenn sie nicht kämen, würde der Blütenstaub nicht von einer Pflanze zur anderen getragen werden. Manche Gärtner pflücken eine Blüte mit Staubbeuteln ab und reiben sie an den klebrigen Narben der kleinen Blüte und verrichten so dieselbe Arbeit wie die Insekten.
Alle Arten von Kürbissen, wie Flaschen-, Riesenkürbisse usw., Melonen und Gurken haben zweierlei Blüten wie die oben beschriebenen.
Es gibt noch eine Frucht, die wir als Gemüse essen, aber ich bin nicht sicher, ob ihr sie in eurem Garten habt. Es ist die schöne Tomate, die wie ein tiefroter Apfel aussieht. Wenn ihr sie nicht habt, solltet ihr versuchen, sie anzubauen.
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Säe die Samen im Februar in einen Kasten, decke Glas darüber und halte sie in der Küche, wo es warm ist. Wenn dann die kleinen Pflanzen einige Blätter getrieben haben, setze jede einzelne in einen kleinen Topf mit etwas sandiger Erde. Begieße die Pflanze tüchtig, und im Mai setze die Töpfe hinaus ins Freie in eine warme Ecke.
Sobald die Pflanzen sich abgehärtet haben, grabe an einem der Sonne ausgesetztem Platze ein tiefes Loch, fülle es mit Erde und Dünger und pflanze sie da hinein. Sie werden emporwachsen und schöne Tomaten hervorbringen. Man muß nur sorgfältig Raupen und Schnecken fernhalten; denn sie lieben den süßen Tomatensaft ebensosehr wie wir.
Wenn die Früchte groß genug sind, und das Wetter nicht warm genug ist, um sie im Freien zur Reife zu bringen, so kann man sie pflücken und auf die Küchenbretter legen. Sie werden sich dann rot färben und können gegessen werden.
Suche die zwei verschiedenen Arten der Blüten, die auf dem Kürbis und der Gurke wachsen. Suche die Frucht der Gurke und der Tomate.
Wenn die Frühlingsblumen anfangen, aus der Erde hervorzulugen, wird der Gärtner im Garten tüchtig bei der Arbeit sein. Im März, wenn nicht schon früher, müssen saubere Beete mit Kohl, Rosenkohl, Blumenkohl usw. besät und die kleinen Pflanzen nach und nach ausgepflanzt werden. Frühe Rüben müssen gezogen, und Radieschen und Senfsamen und Brunnenkresse zum Salat ausgepflanzt werden.
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Alle diese Pflanzen gehören zu der Familie der Kreuzblütler, deren Blüten die Form eines Kreuzes haben. Es ist, wie ihr seht, für den Gärtner und Landwirt eine sehr nützliche Familie. Sie schenkt uns außer dem lieblichen Goldlack auch die vielfarbige Levkoie und das hübsche Steinkraut in den Gärten, sowie die Brunnenkresse in den Bächen.
Aber sobald unsere Kohlpflanzen zu wachsen anfangen, finden wir, daß die Insekten, die so nützlich sind, die Pflanzen zu befruchten, in einem Gemüsegarten vielen Schaden anrichten können. Früh im Mai, wenn die Pflanzen noch klein sind, kann man den Kohlweißling durch den Garten flattern sehen.
Wo ist er wohl hergekommen? Den ganzen Winter lang ist sein Körper von einer harten gummiartigen Masse bedeckt gewesen, die ihn überzog, als die Raupe sich verpuppte und sich mit seidenen Fäden an einem alten Kohlstrunk aufhing oder sich vielleicht in einer Ritze des Zauns versteckte.
Jetzt, wo die Sonne warm scheint, ist er ausgekrochen, und das Weibchen legt seine Eier. Der Schmetterling nährt sich nicht selbst von Kohlblättern, er saugt nur Honig aus den Blüten. Aber er nährte sich von Blättern, als er eine Raupe war, und deshalb legt das Weibchen ihre Eier unter ein Kohlblatt, wo die Raupen Nahrung finden, wenn sie ausgekrochen sind.
Ein anderer Schmetterling, der Fuchs genannt wird, legt seine Eier auf Brennesseln, weil seine Raupen sich von deren Blättern nähren. Sie weben ein kleines Nest unter denselben, wohin sie des Nachts zurückkehren, und wo man sie finden kann.
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Wenn man nun seine Kohlpflanzen vor den Raupen schützen will, muß man die Eier des Kohlweißlings unter den Kohlblättern ablesen. Sie sind sehr klein, aber in vierzehn Tagen werden aus ihnen kleine grüne Raupen auskriechen, die schwarze Flecke und eine gelbe Linie auf dem Rücken haben.
Sie fressen und fressen ungefähr vier Wochen lang, und gegen Juli oder August kriechen sie dann nach irgend einem Baum oder Zaun, verpuppen sich und hängen sich an seidigen Fäden bis zum nächsten Frühling auf. Dann kriecht der Schmetterling aus, um seine Eier auf die jungen Kohlpflanzen zu legen.
Wenn ihr während des Winters überall den Garten im gefallenen Laube und an den Zäunen durchforschen werdet, werdet ihr die Puppen finden und sie vernichten und so helfen, eure Gemüsepflanzen vor den Raupen zu schützen.
Wenn ihr aber kleine weiße Bällchen von der Größe von Hanfsamen in der Nähe einer toten Raupe findet, so hütet euch sie zu vernichten. Es sind die Kokons einer kleinen Wespe, die ihre Eier in den Körper der Raupe des Kohlweißlings legt; wenn die Larve dann auskriecht, nährt sie sich von dem Inneren der Raupe.
Ist es nicht eine sonderbare Geschichte? Der Schmetterling saugt den Honig aus den Blüten und überträgt dabei den Blütenstaub. Dann legt er seine Eier unter ein Kohlblatt und stirbt. Die Raupe nährt sich vom Kohl, und dann kommt vielleicht eine kleine Wespe und legt ihre Eier in sie hinein. Deren Larve nährt sich von der Raupe, und wenn nun die Zeit kommt, wo sich diese in einen Schmetterling verwandeln soll, stirbt sie.
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Viele andere Geschöpfe nähren sich noch von der Kohlpflanze. Larven und Schnecken lieben grüne Nahrung und der Kohlgallenrüsselkäfer, der sich, wie wir gesehen haben, von der Kohlrübe nährt, frißt die Wurzel des Kohls ebenso gern. Der beste Weg, alle Feinde fern zu halten, ist, den Boden von Unkraut zu befreien und alle Insekten, die man findet, abzulesen.
Suche möglichst viele Kreuzblütler: Goldlack, Brunnenkresse, Brennessel, Levkoie, Ackersenf, Kohlrübe und eine in den Samen geschossene Kohlpflanze. Versuche die Puppe des Kohlweißlings zu finden.
Im Mai sind an den Hecken eine Menge von Blumen zu finden. Ich habe keinen Platz, sie euch alle zu beschreiben. Ihr solltet auf eurem Schulwege von jeder Sorte eine pflücken und euren Lehrer darnach fragen. Auf Abhängen und im Walde versteckt, findet man die wilden Hyazinthen, die rote Kuckuckslichtnelke und die lieblichen Sternmieren mit Blüten wie reine weiße Sterne und mit schmalen spitzen Blättern, die im Volksmunde auch Hühnerdarm oder Vogelmiere heißen.
Die Wiesen sind nun ganz gelb vom Hahnenfuß, die Gräben blau vom Vergißmeinnicht, und den kleinen, blauen Ehrenpreis kann man überall finden. Er hat einen dünnen, schwachen Stengel, und seine zwei Staubgefäße stehen wie Hörner aus den vier blauen Blumenkronblättern hervor. Binnen kurzem wird die hohe Wiesenspierstaude mit ihren zierlichen weißen Blütentrauben am Ufer der Flüsse[S. 36] und an feuchten Stellen blühen, und der hübsche, kleine Horn- oder Schotenklee wird Hecken und Felder schmücken.
Ihr werdet diese kleine Blume wahrscheinlich sehr gut kennen! Sie erhebt sich nur wenig über die Erde und sieht aus wie eine sehr kleine gelbe Erbsenblüte. Ungefähr vier oder fünf kleine Blüten wachsen auf jedem Stengel und die Knospen haben hellrote Streifen. Wenn die Schoten reif sind, stehen sie nach außen wie die Zehen eines Vogelfußes.
Diese Blumen und viele andere kann man auf den Feldern und in den Hecken finden, und ihr wißt nun, wie man ihre Fruchtknoten und Staubbeutel finden kann, und ihr werdet gewiß auf die Bienen und anderen Insekten achten, die kommen, um Honig und Blütenstaub zu holen.
Wenn ihr eure Augen offen haltet, so werdet ihr bald sehen, daß auch andere Geschöpfe zu den Pflanzen und Blumen kommen, die ihnen nicht so nützlich sind wie die Bienen. Da ist die Kuh, welche sehr viel von ihren Blättern beim Grasen frißt. Da ist der Esel, der mit Vorliebe Disteln sucht. Da ist das Kaninchen, das am Abend aus seinem Bau herauskommt, um an den zarten, jungen Schößlingen zu knabbern, und da sind die kleinen Feldmäuse, die die Erde wegkratzen und von dem dicken Stamm und den Wurzeln unter der Erde fressen.
Nun will ich euch von einigen Pflanzen erzählen, die sich selbst schützen, und vielleicht könnt ihr noch einige andere dieser Art ausfindig machen. Da haben wir zuerst die Anemone und die Wiesenbutterblume. Beide haben bittere Blätter, welche auf der Zunge brennen, wenn man in sie hineinbeißt. Wenn man über ein Feld geht, auf[S. 37] dem viele Butterblumen stehen, so wird man finden, daß die Kühe und Schafe sie möglichst unberührt stehen lassen. Wenn sie die Blätter fressen, so werden sie doch die Blüten vermeiden, die am bittersten sind. So hindern diese Pflanzen die Kühe, sie zu vernichten. Auch die Blätter des wilden Storchschnabels haben einen unangenehmen Geruch und Geschmack.
Dann haben die Farnkräuter sehr viel bitteren Gerbstoff in sich. Ihr werdet finden, daß, wenn Kühe oder Schafe an einer Stelle weiden, wo diese Pflanzen wachsen, sie dieselben nicht berührt haben. So schützen sich die Farnkräuter.
Auch der Sauerklee schmeckt sehr scharf, und der Ehrenpreis verursacht ein trockenes Gefühl im Munde, wenn man die Blätter ißt. Der Aronsstab hat so giftige Beeren, Blätter und unterirdische Knollen, daß kein Tier von den über der Erde liegenden Teilen fressen und keine vorsichtige Feldmaus unter der Erde daran nagen wird.
Dann gibt es Pflanzen, die Dornen an ihrem Stamme haben. Kühe und Pferde fressen nicht gern Stechginster, denn er verletzt ihr empfindliches Maul. Dies sind nur einige wenige Beispiele. Ich kann euch nicht mehr anführen, weil ich euch noch etwas weit Merkwürdigeres erzählen will.
Die Pflanzen haben Bienen und andere fliegende Insekten nötig, damit sie ihren Blütenstaub von einer Blume zur anderen tragen. Aber andere Insekten, so z. B. Ameisen, lieben auch Honig und können nur kriechen, nicht fliegen; sie reiben allen Blütenstaub, der auf sie fällt, ab, ehe sie eine andere Pflanze erreichen. So rauben sie den Blüten ihren Honig und geben ihnen nichts dafür.
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Wie schützen sich nun wohl die Blumen gegen diese Honigräuber? In der mannigfachsten Weise. Die Weberkarde oder Kardendistel hat einen großen Blumenkopf voll von Honig. Aber die Ameisen können ihn nicht stehlen, weil ihre Blätter am Stengel einander gegenüberstehen, so daß sie ein kleines Bassin bilden. Tau und Regen füllen dasselbe und verhindern die Ameisen hindurchzukriechen.
Die Pflanzengattung, zu der die Kuckuckslichtnelke gehört, hat an den Blütenstengeln feine Haare, und der Stamm in der Nähe der Blüte ist sehr klebrig. Wenn die Ameisen hinaufkriechen, um den Honig zu stehlen, kleben sie fest und können nicht weiter.
Eine sehr gewöhnliche Pflanze in den Hecken ist die Sonnenwolfsmilch, die eigentümliche, kleine grüne Blüten hat. Diese Blume hat einen giftigen, milchigen Saft in ihrem Stengel. Wenn die Ameisen nun versuchen hinaufzuklettern, stechen sie mit ihren Klauen Löcher in denselben, der Saft quillt hervor, und sie kleben fest und sterben.
Ich möchte euch gern noch mehr von der Art und Weise erzählen, wie Pflanzen sich durch Dornen, Haare und Gift schützen, aber ihr müßt für euch allein Untersuchungen darüber anstellen.
Suche Sonnenwolfsmilch, Kuckuckslichtnelke, Sauerklee, Farnkraut, Distel und wilden Storchschnabel.
Nun wißt ihr, wie wilde Pflanzen wachsen, wie die Insekten helfen, sie zu befruchten, und wie sie sich gegen Feinde verteidigen, die ihre Blätter fressen oder ihren Honig stehlen möchten.
Wir wollen nun die Pflanzen in unseren Gärten betrachten[S. 40] und untersuchen, in wie weit sie den wilden auf dem Felde ähnlich sind. Alle Gartenpflanzen wachsen irgendwo wild. Wir haben sie in unsere Gärten gesetzt und ihre Blüten größer und farbenprächtiger gemacht. Einige davon wachsen noch wild in Deutschland, andere sind aus fremden Ländern gekommen.
Das Vergißmeinnicht am Gartenrande ist im großen und ganzen dasselbe, das wir draußen auf den Feldern finden. Das Schneeglöckchen wächst wild in manchen Teilen Deutschlands. Das hübsche blaue Immergrün mit den dunklen glänzenden Blättern ist sehr verbreitet. Das Tausendschönchen in unseren Blumengärten entstammt dem Gänseblümchen, das überall bei uns wächst. Das Geißblatt ist ebenso schön in den Hecken wie an dem Gitterwerk der Gartenpforte.
Aber die große purpurfarbige Waldrebe (Clematis) und die schönen, gelben und weißen Wucherblumen (Chrysanthemum), welche in so manchen Gärten blühen, stammen von auswärts. Die lieblichen gelben und violetten Stiefmütterchen, die den ganzen Sommer hindurch blühen, scheinen auf den ersten Blick zu großartig, als daß sie von wilden abstammen könnten. Aber man kann überall wilde pflücken, und wenn man die Blüte des Gartenstiefmütterchens ansieht, so wird man auf dem Fruchtknoten den sonderbaren Vogelkopf sehen, den wir beim Veilchen fanden. (Abbildung S. 41.)
Sicher habt ihr die gelbbraunen Primeln in eurem Garten. Anfangs glaubt man, daß nichts Ähnliches auf den Fluren zu finden ist. Aber wenn man eine Schlüsselblume pflückt und sie mit der Gartenprimel vergleicht, so[S. 41] wird man sehen, daß alle ihre Teile gleich sind. Denn die Gartenprimel war einst auch wild, und die Gärtner haben sie gedüngt und den besten Samen ausgesucht, bis sie ihre schönen Farben bekommen hat. Der Grund, weshalb Gartenblumen oft größer und schöner sind als wilde, ist der, daß die Pflanzen nicht so viele Mühe bei ihrer Ernährung nötig haben und nicht so viele Samen zu erzeugen brauchen. Der Gärtner setzt sie in guten Boden, pflegt sie und wählt die Samen der besten Blumen aus, um sie im nächsten Jahre zu säen.
Ihr könnt es ebenso machen, und obgleich man in einigen Jahren nicht viel fertig bringen kann, wird man doch für seine Mühe belohnt werden dadurch, daß man viel schönere Pflanzen erhält. Man muß die Pflanze beobachten, alle welken Blätter abpflücken, den Boden ordentlich hacken und düngen und ihn frei vom Unkraut halten. Dann muß man feststellen, welche Pflanzen die besten und glänzendsten Blüten haben. Nun bindet man einen Wollfaden um den Stengel dieser Blüten und wartet, bis ihre Samenkapseln reif sind, dann sammelt man deren Samen für die Aussaat[S. 42] im nächsten Jahre. In einigen Jahren wird man auf diese Weise weit bessere Blumen ziehen.
Die Nelken gehören zu den schönsten und lieblichsten unserer Gartenblumen. In unserer Heimat wachsen verschiedene Nelkenarten wild, und auch die Seite 38 abgebildete Kuckuckslichtnelke gehört zu dieser Familie.
Wenn man ihre Blüten mit denen der Nelke vergleicht, so wird man finden, daß beide schmale Blätter haben, die einander gegenüberstehen. Der Stamm ist an dem Gelenk, wo sie sitzen, verdickt. Sie haben einen langen, grünen Kelch mit Spitzen und fünf blaßrote oder weiße Blumenkronblätter, die am Rande gezähnt sind. Zehn Staubgefäße stehen im Innern und in ihrer Mitte ein großer Fruchtknoten mit zwei oder drei klebrigen Hörnern, die die Narbe bilden.
Nun suche eine reife Samenkapsel zu finden. Sie wird an der Spitze offen und nach dem Grunde zu ausgebuchtet sein wie eine Vase. Im Innern steht ein senkrechtes Säulchen, und um dieses herum liegen die Samen. Findest du alle diese Merkmale in einer Blüte vereinigt, so weißt du, daß sie zu den Nelkengewächsen gehört.
Vogelmiere, Sternblume, Lichtnelke, Seifenkraut, Kuckuckslichtnelke und wilde Nelke sind alle ohne Zweifel leicht in den Feldern und an den Hecken zu finden.
Aber ihr habt jedenfalls auch einige gefüllte Blumen in euren Gärten, z. B. Levkoien, Goldlack und Rosen. Diese haben sehr viele farbige Blumenkronblätter und kaum irgendwelche Staubgefäße und Fruchtknoten, manchmal überhaupt keine. Die Gärtner haben diese gefüllten Blumen dadurch hervorgebracht, daß sie die Blumen in sehr fetten[S. 43] Boden einpflanzten und die Samen derjenigen aussäten, welche am meisten Blumenkronblätter an Stelle der Staubgefäße hatten.
Wilde Pflanzen haben fast niemals gefüllte Blüten. Sie müssen sehr viel Samen hervorbringen. Wenn man eine Pflanze mit gefüllter Blüte in mageren Boden bringt und sie wild wachsen läßt, so wird sie bald wieder eine einfache Blüte treiben. Aber Gärtner brauchen schöne Blumen. So ziehen sie gefüllte Malven, Dahlien, Päonien und Primeln neben den einfachen.
Vergleiche die wilde und die Gartenrose, das wilde und das Gartenstiefmütterchen, Schlüsselblume und Primel, Nelke und Kuckuckslichtnelke.
Im Juni steht die wilde Rose in Blüte. Es sieht sehr hübsch aus, wenn sie ihre rotweißen Blüten aus der Hecke hervorsteckt. Obwohl sie Dornen haben, kannst du es doch wohl fertig bringen, einen Zweig abzupflücken und ihn mit zur Schule zu nehmen. Wir wollen heute etwas von den Rosenblütlern lernen.
Ich wünsche, daß ihr eine Menge Blüten und Früchte aus Hecke und Garten außer der Rose mitbringt. Ihr erinnert euch, daß unsere besten Gemüse aus der Familie der Kreuzblütler stammen. Nun werdet ihr sehen, daß die Familie der Rosenblütler uns die besten Früchte liefert.
So holt also aus der Hecke einen wilden Rosenzweig. Es muß eine wilde Rose sein, denn, wie ihr euch erinnert,[S. 44] haben unsere Gartenrosen die meisten ihrer Staubgefäße in Blumenkronblätter verwandelt. Dann sucht, wenn möglich, einen Brombeerzweig mit einer Blüte und holt von dem Abhange eine wilde Erdbeerpflanze, möglichst eine mit Blüte und Frucht zugleich. Denn es gibt eine andere Pflanze, das Fingerkraut, das der Erdbeere so ähnlich ist, daß man es mit ihr verwechseln könnte, wenn keine Frucht dabei ist.
Dann hole aus eurem Garten eine Erdbeere, eine Himbeere, eine Kirsche und eine Pflaume, einen unreifen Apfel und eine Birne. Was für eine Menge das schon ist! Und doch könnten wir noch einen Pfirsich, eine Mispel, eine Quitte und eine Aprikose hinzufügen, denn alle diese Früchte gehören zu den Rosenblütlern. Ich glaube aber kaum, daß alle diese Früchte in eurem Garten wachsen. Laßt uns zuerst die Blüten betrachten. Ihr werdet sehen, daß die wilde Rose einen sehr tiefen, krugförmigen Blütenboden hat, um dessen Rand fünf grüne Kelchblätter mit langen Spitzen stehen.
Wenn es eine wilde Rose ist, so wird die Blumenkrone aus fünf hübschen hellroten Blättern gebildet. Sie stehen alle getrennt, so daß man sie einzeln aus dem grünen Kelch ziehen kann, ohne die anderen zu beschädigen. Wenn man sie alle abgepflückt hat, so findet man eine große Menge von Staubgefäßen, die auf dem Rande des grünen Blütenbodens wachsen.
Nun betrachte die Stempel. Ihre klebrigen Spitzen gucken aus dem Kelch hervor. Aber man muß den krugförmig vertieften Blütenboden aufreißen, wenn man nach ihnen sucht. Sie stehen alle einzeln, und jeder hat eine eigene klebrige Spitze, die Narbe.
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Wir untersuchen jetzt die Blüte der Erdbeere; auch sie hat fünf grüne Kelchblätter, fünf weiße Blumenkronblätter und sehr viele Staubgefäße, gerade wie die Rose. Aber sie hat keinen vertieften Blütenboden. Ihre Stempel stehen auf einer kleinen Erhöhung zwischen den Kelchblättern. Allmählich wird diese Erhöhung schwellen und weich und saftig und süß werden, und die kleinen Samenkapseln stecken darin, wie Nadeln in einem Nadelkissen. Wenn man die kleine Frucht der Walderdbeere und die große der Gartenerdbeere ansieht, so wird man sie leicht erkennen. Die Leute nennen diese trocknen Kernchen oft „Samen“, aber es sind keine Samen, es sind winzige Samenkapseln, von denen jede einen Samen in sich trägt.
Nun kommen wir zur Blüte der Brombeere. Es ist bei ihr ebenso wie bei der Erdbeere: die Stempel wachsen auf einem erhöhten Blütenboden. Aber wenn die Frucht reif ist, wird man sehen, daß diese Erhöhung nicht größer geworden ist. Bei der Brombeere werden die Fruchtknoten selbst weich und wachsen zu kleinen Bällen heran, die voll von süßem Safte sind. Man kann sie voneinander trennen und wird in jedem einen Samen finden.
Bei der Himbeere ist es ebenso, nur ziehen sich die kleinen roten, saftigen Samenkapseln von der Erhöhung etwas zurück. So kann man sie wie eine Mütze von der weißen spitzen Erhöhung abziehen.
Und wie ist es nun mit den anderen Früchten? Im nächsten Frühling, wenn die Pflaumen und Kirschen blühen, wirst du sehen, daß sie dieselbe Art von Blüten haben wie die Rose. Aber jede Blüte enthält nur einen Fruchtknoten. Dieser wird nach außen hin saftig und behält im Innern[S. 46] um den Samen herum eine sehr harte Schale. Man ißt also die saftige Umhüllung, und muß die harte Schale zerknacken, ehe man an den Kern oder Samen kommen kann.
Der Apfel und die Birne geben uns ein Rätsel auf, bis man den Apfel quer durchschneidet. Dann sieht man die fünf kleinen Samenkapseln in Form eines Sternes inmitten der Frucht. Jede Samenkapsel hat ein oder zwei Kerne oder Samen und stellt das dar, was wir Kerngehäuse nennen. Der grüne Blütenboden ist dick und fleischig geworden und ganz um das Kernhaus herumgewachsen. Man kann die vertrockneten Spitzen der grünen Kelchblätter oben auf dem Apfel sehen. In der Apfelblüte liegen die Fruchtknoten getrennt; der vertiefte Blütenboden und der Kelch umschließen sie, und aus diesen wächst ein großer Apfel hervor.
Suche eine wilde Rose, einen blühenden Brombeerzweig, eine wilde blühende Erdbeere, einen Apfel, eine Birne, eine Pflaume, eine Kirsche, eine Himbeere und Gartenerdbeere.
Wenn die Biene auf der Suche nach Honig ist, so ist sie sehr froh, wenn sie die Taubnessel findet. Es ist ihr einerlei, ob die Pflanze weiße oder rote Blüten hat, denn sie ist sicher, daß, wenn vor ihr keine andere Biene dagewesen ist, sie Honig finden wird.
Es gibt Taubnesseln gewöhnlich in großer Menge, denn ihre Blätter haben keinen angenehmen Geschmack, und sie sehen den Brennesseln so ähnlich, daß nur wenige Tiere sie fressen.
Die wirkliche Nessel hat nur kleine grüne Blüten, während die Taubnessel ganze Büschel von roten oder weißen Blüten hat, die um den Stengel herumwachsen, immer über einem Paar von Blättern. Diese Blüten sind helmförmig und haben eine breite Unterlippe, die vorn herabhängt und eine tiefe Kerbe in der Mitte zeigt.
Der Stengel der Blume ist nicht rund wie der der meisten Pflanzen; er ist vierkantig. Hieran kann man sie stets von einer Brennessel unterscheiden, selbst wenn sie nicht blüht. Die runzeligen Blätter stehen einander gegenüber, und zwar die oberen gerade in den Lücken der unteren, wie wir in Lektion 2 gesehen haben.
Laßt uns nun die Blüte betrachten. Man nimmt dazu am besten eine weiße, da sie sehr groß ist. Fasse den[S. 48] Helm und ziehe leise daran. Er wird sich loslösen, so daß der grüne fünfzähnige Kelch zurückbleibt. Aber wahrscheinlich wirst du auch den langen fadenförmigen Griffel mit den 2 Narbenlappen mitgenommen haben, welcher auf dem Fruchtknoten wächst, denn er löst sich leicht los.
Trenne nun bei einer anderen Blüte den Helm sorgfältig auseinander. Du wirst auf dem Boden des Kelches den Fruchtknoten mit vier kleinen Samenanlagen finden, die wie Nüßchen aussehen, und in deren Mitte der lange fadenförmige Griffel aufwächst. Er hat als Narbe zwei Lappen.
Sieh jetzt in eine neue Blüte hinein. Du wirst vier Staubgefäße finden, die inmitten der hinteren Wand der Blütenröhre wachsen. Zwei von ihnen sind so lang, daß sie bis oben in die Oberlippe hinaufreichen. Wenn du die Oberlippe jetzt zurückschiebst, so sind die Lappen der Narbe von den Staubbeuteln umschlossen. Unten in der Röhre ist sehr viel Honig, aber kriechende Insekten können nicht hinzugelangen; denn ein dichter Saum von Haaren verhindert sie daran.
Aber wenn die Biene kommt, steckt sie ihren Rüssel durch die Haare hindurch, und wenn sie den Honig saugt, bürstet sie den Blütenstaub aus den Staubbeuteln. Dann fliegt[S. 49] sie zu einer anderen Blume und läßt ihn dort auf den Lappen der Narbe zurück. Es gibt sehr viele Pflanzen, die Lippenblüten haben wie die Taubnessel. Minze, Salbei, Melisse, Thymian, Pfefferminze, Lavendel, Rosmarin und der hübsche blaue und weiße Günsel in den Hecken gehören alle zu den Lippenblütlern. Man erkennt sie an dem vierkantigen Stengel, den gegenständigen Blättern und den Fruchtknoten mit den vier kleinen Samenanlagen.
Im Salbei bilden die Staubgefäße eine Art Schlagbaum. Die Biene stößt mit dem Kopfe gegen das untere Ende, und so kommt der volle Staubbeutel auf ihren Rücken zu liegen (s. S. 48).
Eine andere Pflanze, die die Biene sehr liebt, ist die Erbse. Auch da ist sie sicher, Honig zu finden. An einem schönen Morgen kann man die Bienen im Gemüsegarten um die Erbsen und Bohnen summen und ihren Kopf bald in diese, bald in jene Blüte stecken sehen.
Nimm eine Erbsenblüte und untersuche, wie sie es machen. Halte die Blüte vor dich hin. An ihrer Rückseite ist ein großes Blütenblatt mit einer tiefen Kerbe in der Mitte. Dieses steht wie eine Fahne in die Höhe, um der Biene zu zeigen, wo sie den Honig suchen soll. Deshalb wird es „Fahne“ genannt. Zwei kleinere Blütenblätter stehen zusammengefaltet gerade darunter. Diese heißen „Flügel“. Zwischen diesen sind zwei andere Blütenblätter, die wie das Vorderteil eines Bootes zusammengefügt sind; sie heißen „Schiffchen“.
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Wenn man die Flügel erfaßt und sie sanft hinunterdrückt, so ziehen sie das Schiffchen mit hinunter. Dann wird man die Staubbeutel der zehn Staubgefäße sehen, sowie den klebrigen Schnabel der winzigen Erbsenschote. Sie waren vorher im Schiffchen verborgen.
Wenn du die Blüte zerlegst, so wirst du sehen, weshalb das Schiffchen hinunterging. An jedem Flügel ist eine Art Knopf, der in eine Höhlung in der Seite des Schiffchens hineinpaßt. Wenn die Biene sich auf den Flügeln niederläßt, so drückt sie dieselben durch ihr Gewicht hinunter. Die Flügel drängen ihrerseits das Schiffchen hinab, und die Staubbeutel schlagen gegen die Brust der Biene. Und so fliegt diese zur nächsten Blüte, bedeckt mit Blütenstaub.
Es gibt fast ebenso viele Schmetterlingsblütler — so heißen die Pflanzen, die eine Blüte haben wie die Erbse —, als es Lippenblütler gibt. Der schöne gelbe Stechginster, der Klee und alle Wicken in den Hecken gehören zu dieser Familie. Jeder Kopf einer Kleeblüte besteht aus einer Menge von winzigen Blüten, die alle wie die der Erbse geformt sind.
Auch im Blumengarten haben wir den Goldregen und im Gemüsegarten Feuer- und Puffbohnen.
Untersuche Taubnessel, Minze, Thymian und Wiesensalbei. Beachte den sonderbaren schwingenden Staubbeutel des letzteren. Untersuche ferner die Blüten der Erbse, des Stechginsters, der Futterwicke und des Schotenklees.
Wenn ihr die Augen offen haltet, so müßt ihr bemerkt haben, als ihr die Blüten der Erbse und der Stangenbohnen[S. 51] pflücktet, daß sie an Stangen emporklettern, die für sie eingesteckt werden. Aber vermutlich habt ihr nicht darüber nachgedacht, warum sie klettern und wie sie klettern.
Ihr wißt, daß sie zu einer wirren Masse auf den Boden fallen würden, wenn ihr die Stangen fort nähmet, denn Erbsen und Stangenbohnen haben schwache, dünne Stengel. Wenn sie auf dem Boden lägen, würden sie nicht genug Luft und Licht bekommen, und andere Pflanzen würden sie ersticken. So haben sie gelernt, an Stangen, an Hecken oder irgend etwas anderem, das sie finden, emporzuklettern, um Luft und Licht zu haben.
Das ist der Grund, weshalb sie klettern, und wir wollen nun untersuchen, wie sie klettern. Jede Kletterpflanze tut dies in anderer Weise.
Ihr werdet finden, daß an manchen Stellen der Erbsenpflanze, wo ein Blatt stehen sollte, ein kleiner geringelter grüner Faden ist, der sich an die Stange klammert wie ein Kind an den Finger der Mutter. Diese Fädchen[S. 52] heißen „Ranken“. Sie halten die Pflanzen in Licht und Luft und lassen die Blüten an solchen Stellen niederhängen, wo die Insekten sie finden können. Die Stangenbohne klettert in anderer Weise. Sie braucht dazu nicht die Blätter, sondern windet ihren ganzen Stamm um die Stangen.
Wenn ihr die Hecken betrachtet, so werdet ihr viele Kletterpflanzen finden, die die dichten Büsche benutzen, um ihre Blätter und Blüten darauf auszubreiten. Da ist z. B.[S. 53] die Clematis oder gemeine Waldrebe. Sie hat ihre Blätter nicht in Ranken verwandelt, noch benutzt sie ihren Stamm zum Klettern. Sie schlingt die Blattstiele fest um die Zweige, so daß die Blätter am Ende herausstehen. Ihre hübschen grünlichen Blüten sind auf diese Weise über die ganze Hecke ausgebreitet, und allmählich werden die am oberen Teile federartigen Samenkapseln wie der Bart eines alten Mannes herabhängen, gerade da, wo der Wind sie fassen kann, um sie fortzuwehen.
Ihr kennt doch wohl das kletternde Labkraut, welches überall an den Hecken wächst. Seine schmalen grünen Blätter stehen sternartig um den Stamm herum, und es hat sehr kleine weiße Blüten. Der Stamm, die Blätter und die Samenkapseln sind mit winzigen Häkchen übersät, so daß sie sich an der Hand festklammern, wenn man die Pflanze pflückt. Es ist eine sehr schwache Pflanze, aber sie klammert sich mit ihren Haken an anderen Gewächsen fest, die stärker sind, und richtet sich so auf.
Die Brombeere klettert in ähnlicher Weise, und die wilde Rose tut dies mit ihren Dornen. Etwas weiter an der Hecke hinunter findet ihr vielleicht den wilden Hopfen.[S. 54] Sein Stamm stirbt jedes Jahr ab und erneut sich im Frühling. Aber trotzdem bringt er es fertig, sich weit auszubreiten, denn er schlingt sich um Zweige und kleine Bäume, und alles, was er findet, bedeckt er mit seinen breiten herzförmigen Blättern. Ihr werdet von den Blüten des wilden Hopfens überrascht sein, denn Staubgefäße und Stempel wachsen auf verschiedenen Pflanzen.
Auch das zahme Geißblatt oder Jelängerjelieber schlingt seinen Stengel um eine Stütze, wie ihr an der Pforte oder am Staket gewiß schon bemerkt habt. Manchmal windet es sich so fest um einen jungen Zweig, daß dessen Wachstum an den Stellen, wo ihn das Geißblatt umschlungen hat, gehemmt wird. Und so entstehen an diesen Stellen Eindrücke, als wenn er mit einem Bande umwickelt worden wäre.
Dann gibt es hübsche Pflanzen, Wicken genannt, die Blüten haben, welche einer kleinen Erbsenblüte ähnlich sind. Sie klimmen an ihren Ranken überall hinauf. Ihr werdet sie ebenso leicht finden, wie die Winde, die alle möglichen Pflanzen umschlingt, selbst unsere Stachelbeer- und Johannisbeerbüsche, und deshalb sehr sorgfältig ausgerodet werden muß. Aber ich bin nicht ganz sicher, ob ihr eine sonderbare kleine Pflanze, die sogenannte Flachsseide, finden werdet. Ihr müßt sie an Flußufern, Gebüschen, Wegrändern suchen, wo sie über Weiden, Brennesseln, Klee und andere Pflanzen klettert. Sie hat nur einen dünnen, aber zähen Stamm, der Büschel von winzigen blaßroten Blüten trägt. Blätter hat sie überhaupt nicht. Wie kann sie also leben, da sie kein Mittel hat, um Nahrung zu bereiten? Sie windet sich um Brennessel, Weide oder Klee und sendet Wurzeln in deren Stämme hinein, um daraus die fertige Nahrung auszusaugen.
Die Weinrebe und der hübsche wilde Wein verwandeln ihre kleinen Zweige in Ranken, um emporklettern zu können. Sehr wahrscheinlich habt ihr wilden Wein, dessen Blätter im Herbste rot werden, an eurer Hausmauer. Zwei Arten desselben haben eine sonderbare Art zu klettern. Wenn die Ranken die Mauer berühren, werden ihre Spitzen rot und schwellen zu kleinen Kissen an. Diese halten so fest an der Mauer, daß man sie abreißen muß, wenn der Zweig schon verwelkt ist. Und endlich klettert der Efeu vermittels kleiner Wurzeln, die ganz am Stamm entlang wachsen.
Nun kennt ihr alle Kniffe, welche die Pflanzen zum Klettern gebrauchen. Sie klettern mit Häkchen, mit Ranken, mit Wurzeln und dadurch, daß sich die ganze Pflanze um ihre Stütze schlingt. Versucht nun, wie viele ihr davon finden könnt.
Suche ein Exemplar von jeder Art der Kletterpflanzen.
Einige Pflanzen leben nur ein Jahr lang, andere zwei Jahre und wieder andere viele Jahre.
Habt ihr nicht bemerkt, daß ihr Reseda, Ringelblumen und Erbsen und Bohnen jedes Jahr frisch im Garten säen müßt? — wenn ihr nicht die jungen Sprößlinge schützt, die aus heruntergefallenen Samen entstehen. Auf dem Felde wachsen Weizen und Hafer nur, bis ihre Körner reif sind, und sterben dann ab, wenn sie bis zum Beginn des Winters in der Erde gelassen werden.
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In derselben Weise vergehen Vogelmiere, Mohn und unsere alte Freundin, das Hirtentäschelkraut, wenn ihre Samen reif sind. Diese Pflanzen gleichen den Leuten, die gerade genug verdienen, um von einem Tage zum anderen leben zu können, und nichts für das nächste Jahr ersparen.
Aber wenn ihr Bartnelken oder Glockenblumen im Sommer blühend haben wollt, so müßt ihr sie im Sommer vorher säen; denn diese Pflanzen blühen das erste Jahr nicht. Sie treiben in diesem nur die Wurzel und einen kurzen Stiel mit Blättern. Die Pflanze ist damit beschäftigt, Nahrung, wie Stärke, Zucker und gummiartige Stoffe, zu bereiten und diese in der Wurzel und im Stamm aufzuspeichern, so daß sie im nächsten Jahre zu einer kräftigen blühenden Blume heranwachsen kann.
Wenn sie dann geblüht und Samen erzeugt haben, sterben sie ab. Sie haben nur für ein kurzes Leben Nahrung aufgespeichert und können im folgenden Jahre nicht weiter wachsen. Fingerhut, Disteln und Petersilie wachsen in der gleichen Weise.
Endlich leben, wie ihr wißt, Schneeglöckchen, Krokus, Gänseblümchen, Schlüsselblumen und Dahlien viele Jahre lang; sie sterben im Herbst ab und treiben im Frühling wieder. Diese Pflanzen speichern Zucker und Stärke in der Wurzel oder in dem unteren Teil des Stammes oder der Blätter auf.
Einige derselben wachsen länger als zwei Jahre, ehe sie anfangen zu blühen. Sie sind den Leuten ähnlich, die Ersparnisse machen, wenn sie jung sind und stets weiter sparen, so daß sie immer etwas übrig haben.
Man kann manchmal eine Pflanze veranlassen, Nahrung[S. 57] aufzuspeichern. Wenn man einige Reseda in einen Topf pflanzt und fortwährend die Knospen abkneift, so daß sie keinen Samen bilden kann, so wird sie zu einem kleinen Strauch heranwachsen und zwei oder drei Jahre lang blühen.
Verschiedene Pflanzen speichern ihre Nahrung in verschiedenen Teilen auf. Die wilde Mohrrübe und die Eiche speichern die ihrige in der Wurzel auf. Die Mohrrübe ist fleischig und dauert nur zwei Jahre; aber die Wurzel der Eiche ist holzig und lebt lange.
Das Scharbockskraut speichert, wie ihr euch erinnern werdet, ihre Nahrung in weißen Knollen auf; diese entstehen aus Knospen, die mit so viel Nahrung versehen sind, daß sie dadurch stark verdickt werden. Die Sumpfdotterblume und die schöne gelbe Schwertlilie, die am Flusse wächst, brauchen den unterirdischen Stamm als Speicher. Man muß den Stamm der Sumpfdotterblume verfolgen, bis man bis dicht an die Wurzeln kommt, und dort wird man den dicken Knoten finden, der durch den ganzen Winter hindurch weiterlebt und im Frühling frische Blätter treibt.
Wenn man ein langes Stück von dem kriechenden Wurzelstock der gelben Schwertlilie bekommen kann, so wird man leicht die Stellen erkennen können, wo die Blütenstengel in jedem Jahre ausgetrieben sind. Man kann sie am Stocke entlang verfolgen, bis man zum diesjährigen Stengelansatze kommt. Und weiter hin sitzt die Knospe für das nächste Jahr.
Es gibt eine andere sehr hübsche Pflanze, Salomonssiegel oder vielblumige Maiblume genannt, die einen hohen Blütenstengel mit ziemlich schmalen Blättern und lieblichen, weißen, mit grünen Zipfeln versehenen Blüten hat. Die letzteren[S. 58] hängen alle auf einer Seite des Stengels. Wenn man den Wurzelstock dieser Pflanze durchschneidet, so wird man große Narben finden, die wie ein Siegel aussehen. Das sind die Stellen, wo die Blütenstengel Jahr für Jahr getrieben worden sind, und deshalb hat die Pflanze den Namen Salomonssiegel.
Du kannst selbst untersuchen, daß auch am Wurzelstock der Schlüsselblume Knospen für das nächste Jahr sitzen. Ich will euch jetzt auf eine andere unterirdische Knospe oder Knolle aufmerksam machen. Grabt eine Hyazinthe aus. Ihr werdet finden, daß sie unten einen dicken Knoten hat, aus dem kleine Wurzeln hervorwachsen. Schneidet diesen Knoten entzwei, und ihr werdet sehen, daß es eine Zwiebel ist, die aus schuppigen, übereinanderliegenden Blättern besteht, genau wie bei einer Küchenzwiebel.
Wenn man diese Zwiebel im[S. 59] Frühling ausgräbt, steht der Blütenstengel aus deren Mitte hervor, und wenn man die schuppigen Blätter fortnimmt, so wird man noch eine sehr kleine Knospe dicht unten am Blütenstengel finden. Wenn man eine andere Zwiebel im Herbst ausgräbt, so ist der Blütenstengel verwelkt, und die kleine Knospe sieht aus der Spitze der Zwiebel hervor.
Nachdem nämlich die Hyazinthe zu blühen aufgehört hat, werden die Blätter lang, bereiten Nahrung und senden diese zu den schuppigen Blättern unter der Erde hinab. Die Zwiebel wird dadurch dick und kräftig, und auch die kleine Knospe im Innern wird größer. Dann liegt sie den ganzen Winter hindurch ruhig, und wenn nun der Frühling kommt, wird die kleine Knospe aus den dicken schuppenförmigen Blättern Nahrung nehmen und zu einer neuen Pflanze heranwachsen.
Suche sechs Pflanzen, zwei, die Nahrung in der Wurzel, zwei, die Nahrung im Wurzelstock und zwei, die solche in Knollen aufspeichern.
Nun werdet ihr imstande sein zu verstehen, wie es kommt, daß wir solche nahrhaften Gemüse aus dem Küchengarten erhalten. Die Bienen nehmen Honig und Blütenstaub aus den Blüten der Pflanzen. Wir nehmen den Zucker und die Stärke und andere Nahrung, die sie in ihren Blättern, Wurzelstöcken und Stengeln aufspeichern.
Die Mohrrübe, die Pastinake und die Rübenarten sind Pflanzen, die im ersten Jahre Nahrung in ihren Wurzeln[S. 60] aufhäufen und im zweiten Jahre blühen. Deshalb säen wir sie im ersten Jahre in fruchtbares Erdreich, und wenn sie dann einen ordentlichen Vorrat von süßer Nahrung aufgespeichert haben, ziehen wir sie aus und essen sie, ehe sie blühen können.
Wenn man eine dieser Pflanzen bis zum zweiten Jahre im Boden ließe, so würde sie blühen und Samen bilden. Aber eine Kohlrübe wird im ersten Jahre blühen, wenn man sie ganz früh im Frühling sät und den ganzen Sommer über stehen läßt. Deshalb säen wir unseren größten Vorrat von Kohlrüben im Juni und Juli, so daß sie nicht blühen, bevor wir sie im Winter gebrauchen.
Da höre ich jemand sagen: „Weshalb wird hier die Kartoffel nicht genannt?“ Aber Kartoffeln sind keine Wurzeln wie Mohrrüben und Rüben. Wenn man eine Kartoffel genau ansieht, so wird man einige vertiefte Stellen in der Schale finden, die „Augen“ genannt werden. Besonders deutlich treten sie hervor, wenn man die Kartoffel wäscht und sorgfältig betrachtet.
Jedes dieser Augen ist ein kleiner Keim mit einer wachsenden Spitze und den Anlagen zu Blättern. Nun wißt ihr aber, daß eine Wurzel keine Blätter tragen kann. Sie kann nur eine Knospe auf der Spitze haben, wo der Stengel beginnt. Die Kartoffel kann also keine Wurzel sein.
Wenn ihr einige Kartoffeln ausgrabt und die Wurzeln sorgfältig betrachtet, so werdet ihr sehen, daß jede einzelne am Ende eines weißen Stengels wächst, der von den Wurzeln sehr verschieden ist. Eine Kartoffel ist eine Verdickung am Ende eines Stengels, der unter dem Boden wächst. Sie ist ein Knollengewächs.
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Wenn ihr entweder eine Kartoffel oder eine Batate in Stücken schneidet und an jedem eine „Augenknospe“ laßt, so wird jedes dieser Stücke zu einer neuen Pflanze heranwachsen, die Nahrung in den unterirdischen Stamm heruntersendet und weitere Knollen bildet. Jährlich blüht die Kartoffel und bildet Samen in weißlichen Beeren, die wie die ganze Pflanze anderer Nachtschattengewächse giftig sind. Der sehr giftige schwarze Nachtschatten mit seinen schwarzen Beeren gehört auch dazu. Man sollte niemals Beeren oder andere Früchte essen, die man nicht kennt, denn selbst viele Beeren, welche von Vögeln gefressen werden, sind für andere Tiere und für den Menschen giftig. Die Kartoffel speichert ihr Gift nur in ihrer grünen Beere auf, die Knolle selbst ist nicht giftig. Die Kartoffelkrankheit, die uns so viele Sorgen bereitet, wird verursacht durch eine kleine Pflanze, die dem Schimmel auf Eingemachtem gleicht. Sie zerstört die Kartoffel vollständig.
Beim Sellerie essen wir die knollenartig verdickten Stengel, die über der Erde wachsen. Aber wir bedecken sie mit Erde, um sie weiß zu halten, denn im Sonnenlichte würden sie grün werden. Beim Spargel essen wir die Stengel mit der Knospe an der Spitze. Diejenigen, welche wir nicht verzehren, wachsen im Sommer heran und haben nadelförmige, schöne Blätter und glänzende, rote Beeren.
Bei der Zwiebel, beim Lauch und bei den Schalotten endlich essen wir die Zwiebel. Sie hat in den schuppigen Blättern eine Menge guter Nahrung aufgespeichert.
Nun laßt einmal sehen, was man tun muß, um möglichst gute Rüben, Zwiebeln und Spargel zu ziehen. Erstens muß man den Boden trocken legen, wenn es nötig[S. 62] ist, und ihn tief umgraben, so daß den Wurzeln keine harten Erdklumpen im Wege sind, damit sie gerade und kräftig werden können. Dann muß man düngen. Sei sorgfältig und grabe den Dünger recht tief ein, denn Larven und Maden mögen Wurzeln und Zwiebeln ebenso gern wie wir. Die Schädlinge liegen nun im Herbst und Frühling, wenn man den Garten umgräbt, in ihren Kokons überall umher. Gräbt man sie nun mit dem Dünger tief in den Boden ein, so können sie, wenn sie sich in Insekten verwandeln, nicht heraus, um Eier zu legen.
Es gibt noch ein anderes Mittel, diese Larven und Maden unschädlich zu machen. Jede Pflanze hat ihre besonderen Feinde, die sich von ihr nähren. Als solche kennen wir die Larven der Zwiebelfliege, der Mohrrübenfliege und mancher anderen. Wenn man nun bei der Aussaat die Mohrrüben dahin sät, wo im vorigen Jahre die Zwiebeln standen, und die Zwiebeln in das Pastinakenbeet, so findet das Insekt, wenn es ausgekrochen ist, die Blätter für seine Eier nicht unmittelbar in der Nähe, und man kann auf diese Weise manche Pflanze retten.
Dann muß man bei Pflanzen, wie Zwiebeln und Mohrrüben die Zwiebeln und Wurzeln gut mit Erde bedeckt halten und wenn man solche herauszieht, muß man den Erdboden wieder festdrücken. Denn die Insekten legen ihre Eier auf den unter dem Boden befindlichen Teil der Pflanze, und wenn sie nicht in den Erdboden hinein kommen können, ist die Wurzel in Sicherheit.
Endlich kennt ihr wohl den schädlichen Drahtwurm, der sich dicht unter dem Boden hinwindet und alles frißt, was er findet. Um ihn zu beseitigen, muß man den Boden sehr rein halten, denn er liebt es, sich in allen möglichen Abfällen zu verstecken. Man tut auch gut, etwas Kali oder Kalk unter die Erde zu mischen. Wenn es auch sehr mühsam ist, so kann man auch einige Kartoffelscheiben dicht unter die Erde legen und einen kleinen Zweig hineinstecken, um zu zeigen, wo sie zu finden sind; der Wurm wird dann am frühen Morgen leicht unter diesen zu fangen sein.
Suche Gemüse mit: 1. einer Wurzel, 2. einer Zwiebel, 3. einem Stengel, 4. einer Knolle.
Im Herbst, wenn die Pflanzen aufgehört haben zu blühen, haben wir genug zu tun, um die Früchte zu betrachten und zu untersuchen, wie sie ihre Samen verbreiten.
Einige streuen sie ganz in ihrer Nähe aus. Die Klatschrose hat, wie wir sahen, eine harte Frucht mit kleinen Öffnungen unter dem Deckel. Wenn sich der Stengel biegt, so fällt der Samen durch dieselben hindurch und keimt auf dem Boden ringsherum.
Wenn man die trockenen Samenkapseln des wilden Storchschnabels betrachtet, so wird man finden, daß jede derselben sich von unten auf zusammengerollt hat. Dann lösen sich die fünf kleinen Röllchen von dem Stab in der Mitte, und die Samen wandern weg.
Auch das gelbblühende Springkraut, das in ganz Deutschland wild wächst, und von dem man eine ausländische Art, die vielfarbige Balsamine, sehr häufig in unseren Gärten findet, hat eine besonders interessante Samenkapsel. Wenn sie reif ist, springt sie auf und schleudert den Samen umher. Man kann sich einen hübschen Scherz[S. 64] machen, wenn man jemand veranlaßt, eine reife Kapsel zu berühren, und dieser plötzlich zurückfährt, wenn sie mit einem kleinen Knall in seiner Hand zerspringt. Deshalb wird die Pflanze oft „Rührmichnichtan“ genannt.
Aber manche Pflanzen haben das Bedürfnis, ihre Samen noch weiter fortzutragen, als es auf diese Weise geschehen kann. Denkt nur daran, wie viele Blumen an einer Hecke zusammengedrängt stehen. Wenn die Samen alle dicht um sie her fielen, so würden sie einander ersticken. Deshalb[S. 65] versuchen die Pflanzen ihre Samen auf alle mögliche Art und Weise zu zerstreuen.
Sicher habt ihr schon die federartigen Kronen, „Laternen“, des Löwenzahns ausgeblasen, wenn ihr von der Schule nach Hause gingt. Wenn ihr es das nächste Mal wieder tut, so seht euch einmal eine der kleinen dahinschwebenden Früchte näher an. Wir haben früher darüber gesprochen, daß der Löwenzahn einen Blütenkopf mit Hunderten von winzigen Blüten, und daß jede Blüte unten eine ovale Samenkapsel hat mit einer Menge von feinen Haaren auf ihrer oberen Seite und eine gelbe Blumenkrone mit einer langen Zunge.
Diese gelbe Blumenkrone ist nun verwelkt und der obere Teil der Samenkapsel ist zu einem langen Halse ausgewachsen, auf dem die behaarten Kelchblätter sitzen (siehe Bild Seite 24). Und wenn der Wind diese Haare faßt, so trägt er die winzige Frucht fort, manchmal meilenweit, und läßt sie dann auf den Boden sinken.
Disteln, Kreuzkraut, Löwenzahn und eine Anzahl anderer Blumen haben diese federartigen Früchte. Wenn man sie also auf eigenem Boden wachsen läßt, so schadet man auch dem anderer Leute.
Auf diese Weise trägt der Wind den Samen fort.
Andere Samenarten werden von Flüssen fortgespült und auf deren Ufern zurückgelassen. Andere wieder werden oft mit dem Schmutz fortgetragen, der an den Füßen der Vögel haftet.
An anderen Samen wachsen kleine Häkchen, so daß die Tiere und Menschen sie forttragen. Dies ist z. B. der Fall beim klebrigen Labkraut. Wir sahen auf Seite 53, daß sein[S. 66] Stamm und seine Blätter mit kleinen Häkchen bedeckt sind, die es zum Klettern gebraucht. Dieselben Häkchen hat es an seinen Früchten. Wenn man eine derartige Pflanze in die Hand nimmt, so werden eine Menge der sehr kleinen Samenkapseln daran hängen bleiben.
Aber welch merkwürdiges Gewächs ist das da! Es ist die Samenkapsel der gemeinen Klette, die überall in den Hecken wächst. Es ist eine stattliche Pflanze mit sehr großen herzförmigen Blättern und roten Blütenköpfen, die denen der Distel ähnlich sehen. Man bringt oft Kletten mit nach Hause in den Kleidern, Hunde tragen sie im Fell und Schafe in der Wolle. Jede dieser Kletten ist ein aus einzelnen röhrenartigen Blüten zusammengesetztes, kugeliges Köpfchen, deren Kelche aus einer großen Menge schuppiger Blättchen mit Häkchen bestehen. Wenn man eine reife Klette öffnet, wird man die winzigen Samen im Inneren finden.
So tragen also Menschen und Tiere die Samen für die Pflanzen in die Weite.
Ganz eigenartig wird der Fall, wenn der Fruchtknoten sich zu einer Schlehe oder Kirsche oder einer anderen glänzenden Beere auswächst, wie es bei den Beeren des Schwarzdorns und des Geißblatts der Fall ist. Denn die Vögel kommen, um die hübsche Frucht zu fressen, und wenn sie dieselbe dann auf irgend einen Baum in der Nähe tragen, so lassen sie den Stein, d. h. also den Samen, an einem anderen Platze fallen. Oder sie fressen die Beere, und die harten Samen gehen durch den Körper und werden irgendwo in weiter Entfernung wieder ausgeschieden.
Nun seht ihr auch, weshalb die Brombeere und die Himbeere ein fleischiges Mark um ihre Samen herum bilden,[S. 67] und weshalb die kleinen harten Samenkörner der Erdbeere in der saftigen Erhöhung stecken. Alles dies geschieht, um die Vögel anzulocken, die Samen zu fressen und sie fortzutragen.
So wird auch bei der Hagebutte der wilden Rose der grüne Blütenboden groß und weich und färbt sich glänzend rot, gerade wenn der Winter kommt, und es nicht viele Nahrung mehr gibt. Die Vögel kommen und picken daran, und die Früchte in ihrem Innern hängen sich an ihre Schnäbel oder werden mit gefressen und so fortgetragen.
Ihr wißt, daß in einem harten Winter die Beeren der Eberesche und der Mistel, die Hagebutten und die Mehlbeeren und selbst die Beeren der Eibe und des Geißblattes schon vor Weihnachten verschwunden sind. Aber vermutlich wußtet ihr nicht, daß die Vögel den Samen umhertragen, so daß er im nächsten Jahre anderswo wächst.
Aber wenn ihr die Augen offen haltet, so könnt ihr noch viele ähnliche Dinge wie diese lernen, die Kinder, welche in Städten eingeschlossen sind, gar nicht zu sehen bekommen. Ihr könnt euch glücklich schätzen, daß ihr auf dem Lande zwischen Vögeln und Blumen lebt. Ihr atmet die frische Luft, die von Blumenduft erfüllt ist, ihr pflückt eure eigenen Blumen und zieht eure eigenen Gemüse und Früchte und könnt beobachten, wie die Pflanzen in eurem Garten unter eurer Pflege in jedem Jahre schöner werden.
Suche die Früchte des wilden Storchschnabels, des Springkrautes, des Löwenzahns, der verschiedenen Distelarten, des Klebekrauts, der Klette, der Rose, des Weißdorns, des Geißblatts, der Eibe und anderer Pflanzen.
Kinderaugen in der Natur
Erstes Buch
Tiere und Pflanzen in Wald und Feld
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Zweites Buch
Am Teich- und Flußufer
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Drittes Buch
Pflanzenleben in Feld und Garten
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Viertes Buch
Aus dem Leben unserer Vögel
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Fünftes Buch
Bäume und Sträucher
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Sechstes Buch
Aus dem Leben der Insekten
Bisheriger Absatz ungefähr 50000 Stück
Verlag von Hermann Gesenius in Halle (Saale)
Von 8 bis 10 Jahren.
Dr. Hartmanns Jungmädchenbücher:
Die höheren Mädchenschulen: Die Bücher wollen dem Mangel an gediegenem Lesestoff für Mädchen von 8 bis 10 Jahren abhelfen. Sie erfüllen ihren Zweck in jeder Weise aufs beste. Die äußere Ausstattung mit dem Buntbild der zwei lesenden Mädchen ist sehr gefällig und lockt die Kinder; Papier und Druck sind sehr gut und die Einteilung in kurze Geschichten oder Kapitel für dieses Alter sehr glücklich. Die Stoffe sind aufs günstigste gewählt. Band 1 und 4 bieten Naturwissenschaftliches. Die Erzählungen sind so lebendig, daß man fast menschlichen Anteil an dem Schicksal der Tiere und Pflanzen nimmt. Dabei lernen die Kinder eine Menge, ohne die Absicht irgendwie zu merken. Die Geschichten sind in hohem Maße geeignet, Anteil und Liebe an der Natur bei den Kindern zu wecken. In Band 2 und 3 werden in ebenso ansprechender Weise altdeutsche und nordische Sagen erzählt. Der Heldenkreis um Dietrich von Bern und die Götter Walhalls treten den Kindern nahe. In Band 5 wird die allerliebste Erzählung vom Stuttgarter Hutzelmännchen nacherzählt. All die krausen Ranken in Stil und Erzählweise sind abgeschnitten, die für die Kinder — und nicht nur für diese — das reizende Märchen so schlimm verwirren, so daß sich alle an seinem humorvollen Kern freuen können. Für Schülerinnen-Büchereien sind die Bändchen eine wertvolle Bereicherung. Für den Familienkreis haben sie noch den Vorzug, daß Knaben sie ebenso gern lesen, und daß sie sich vorzüglich zum Vorlesen eignen, so daß sie recht zum Handbuch geeignet sind.
J. L.
Verlag von Hermann Gesenius in Halle.
Nützliche und schädliche Insekten in Garten und Feld
von Kuno Lohrenz.
Mit 250 Abbildungen auf 16 nach der Natur gezeichneten kolor. Tafeln. Anhang: Gesetz, betreffend die Bekämpfung der Reblaus vom Juli 1904. In Pappband gebunden M. 3.50.
Das Land. Das Buch wendet sich ganz besonders an den Landmann, Gärtner, an Obst- und Gemüsezüchter usw. Es legt in anschaulicher Weise dar, welche Art Nutzen viele Insekten bringen, und wie diese zu schützen und zu hegen sind, anderseits, welche Schäden und Gefahren der Landwirtschaft von den Insekten drohen, und mit welchen Mitteln die Gefahren bekämpft und beseitigt werden können. Die bunten Tafeln sind in Zeichnung und Farbengebung mit der größten Naturtreue hergestellt und stellen die Insekten in ihrer ganzen Entwickelung dar, meist sind auch Blatt-, Rinden- oder Fruchtstücke, in denen sich das Insekt entwickelt, beigegeben. Wegen seiner hervorragenden Nützlichkeit sollte das Buch in keiner ländlichen Fortbildungsschul- und Dorfbibliothek fehlen.
Lohrenz, Kuno, Nützliche und schädliche Insekten im Walde.
Mit 194 Abbildungen auf 16 nach der Natur gezeichneten kolorierten Tafeln. In Pappband gebunden M. 3.50.
Aus Landwirtschaftlicher Wochenschrift f. d. Provinz Sachsen. Besonders günstig und empfehlenswert wirkt das Buch durch die dem Texte beigegebenen reichlichen und gut ausgeführten farbig hergestellten Tafeln, nach deren Besichtigung ein im Walde gefundenes Insekt leicht bestimmt und dann das Erforderliche nachgelesen werden kann. Durch den billigen Preis von M. 3,50 ist somit jedermann, der Interesse für den Wald und die in ihm lebenden Insekten hat, und der nicht nur immer Erträge aus demselben herausnehmen, sondern ihn auch schützen und pflegen will, sehr gute Gelegenheit geboten, sich Unterweisung und guten Rat zu holen.
Lorentz, R., Direktor des Technikums in Stargard i. Meckl., Rätsel im Obstbau. Praktisch wissenschaftliche Erklärung der natürlichen Ursachen früher Tragbarkeit, sowie der künstlichen Mittel zur Erzielung derselben, des Nichtwachsens von Veredlungen usw., mit besonderer Berücksichtigung des Erwerbs-Obstbaues. Brosch. M. 1.50, geb. M. 2.20.
Völlig neue Methode, auf wissenschaftlicher Grundlage beruhend, praktische Durchführbarkeit erprobt und erwiesen, schnellen und reichen Gewinn verheißend.
Stefan, Theodor, Lehrer, Obstbaumzucht. Eine leicht verständliche, kurze Anleitung über Obstbaumpflege. In steifem Umschlag geheftet M. 0.40.
Mitteilungen über Bienen- und Geflügelzucht, Gartenbau und Fischerei. Stefans Obstbaumzucht ist ein kleines, aber sehr gutes Büchlein, das jeder, der nur ein Fleckchen Erde sein eigen nennt, sich beschaffen sollte. Am Schlusse ist ein Arbeitskalender für die einzelnen Monate des Jahres angefügt.